Neubeginn nach 1945-1970
Das REFA-Buch in fünf Einzelbänden
Nach dem Zweiten Weltkrieg führten die ersten Maßnahmen der Besatzungsmächte zur Auflösung sämtlicher bestehender Organisationen und Verbände, wodurch auch REFA seine „rechtliche“ Existenz verlor. Die menschlichen und fachlichen Bindungen innerhalb der örtlichen Ausschüsse blieben jedoch bestehen und ermöglichten es REFA, bald neu zu entstehen. Bereits Ende 1945 bildeten sich mehrere Kristallisationszentren, die sich der Wiederbelebung von REFA als Organisation und Methodenentwickler widmeten. Allerdings erwies es sich als problematisch, dass nach dem Beginn des Marshallplans und der Währungsreform die Arbeit von REFA nicht recht in den politischen Kontext der Zeit passte. Dennoch war klar, dass eine leistungsfähige und wettbewerbsfähige Wirtschaft nicht ohne systematisch durchgeführte Arbeits- und Zeitstudien auskommen konnte.
Da es keine Restbestände des zweiten REFA-Buches gab, griff man zunächst auf Schriftenreihen zurück, die die im zweiten REFA-Buch gewonnenen Erkenntnisse des Arbeitsstudiums zusammenfassten. Die Hauptverantwortlichen für diese Bemühungen waren die Herren Böhrs und Bramesfeld (beide Hauptgeschäftsführer des REFA-Bundesverbands) sowie Pentzlin, die in den folgenden Jahren daran arbeiteten, die REFA-Methoden in Buchform zu konsolidieren. Das neue REFA-Buch, welches nun nicht mehr als „drittes REFA-Buch“ bezeichnet wurde, sollte künftig aus Einzelbänden mit Schwerpunktthemen bestehen, die gezielt auf die REFA-Ausbildung abgestimmt waren.

Oberingenieur B. Köster
Anfang Mai 1951 erschien der erste Band der geplanten Buchreihe mit dem Titel „Arbeitsgestaltung“, der sich in die zwei Hauptabschnitte „Einführung in das Arbeitsstudium“ und „Arbeitsgestaltung in methodischer und praktischer Darstellung“ gliederte. Hauptautoren waren erneut die Herren Böhrs und Bramesfeld, die in Zusammenarbeit mit dem Leiter des Grundsatzausschusses für Arbeitsgestaltung, Oberingenieur B. Köster, wirkten.


Die endgültige Version des Buches wurde gemäß den nun satzungsmäßig festgelegten Abstimmungsrichtlinien durch einen Redaktionsausschuss bestimmt, der sich aus Vertretern der Ausschüsse, der Arbeitgeberverbände und der Gewerkschaften zusammensetzte. Die Ausschüsse spielten eine zunehmend wichtige Rolle für REFA. Ihre Aufgaben umfassten die Beobachtung der Entwicklungen in verschiedenen Fachgebieten, die Behandlung von Grundsatzfragen der REFA-Lehre sowie die Erstellung von entsprechenden Lehrmitteln und Lehrplänen für die Ausbildungen. Es wurden Ausschüsse für Themen wie Arbeitsgestaltung, Zeitvorgaben, Arbeitsbewertung, Arbeitsunterweisung, Kostenwesen und REFA-Ausbildung eingerichtet. Zudem wurden branchenorientierte Fachausschüsse für das Arbeitsstudium in den jeweiligen spezifischen Fertigungs- und Wirtschaftszweigen gebildet.
Im Mai 1952 wurde schließlich Band 2 „Zeitvorgabe“ der REFA-Buchreihe unter der Leitung von Oberingenieur A. Ernst veröffentlicht. Eine wesentliche Neuerung im Vergleich zu den ersten beiden REFA-Büchern war die Erkenntnis, dass eine detaillierte Zeitermittlung eine genaue Erfassung des Ablaufs erfordert, was die Vorrangstellung der Arbeitsgestaltung unterstreicht. Daraus resultierte eine neue Strukturierung der Vorgabezeit, ausgehend von der Auftragszeit.

Prof. Dr.-Ing. J. Riedel

P. Beyerle
Im selben Jahr erschien mit dem vierten Band „Arbeitsunterweisung“ ein neues Thema im REFA-Kontext. Es wurde erkannt, dass der Erfolg der Arbeit eines Arbeitsstudienmanns nur gesichert werden kann, wenn die beteiligten Mitarbeiter angemessen unterwiesen und methodisch angeleitet werden.
Dafür sollten sie über entsprechende arbeitspädagogische Kenntnisse verfügen. Dieses Anliegen wurde von Prof. Dr.-Ing. J. Riedel, dem Autor des vierten Bands, zielgerichtet umgesetzt. Die Praxis der Unterweisung wurde in den nachfolgenden Auflagen, insbesondere durch zahlreiche methodische Hinweise wie die Vier-Stufen-Methode der Arbeitsunterweisung, durch Herrn P. Beyerle ergänzt.

Schema der Gliederung der Vorgabezeit von der Auftragszeit her (Quelle: Das REFA-Buch, 1952, S. 11)
In diesem Band wurde zudem die Technik zur Auswertung von Zeitaufnahmen erweitert, neue Erkenntnisse zum Leistungsgrad und zur Erholungszeit präsentiert sowie die Verteilzeitstudie ausgebaut.


Die Weiterentwicklung des Bandes, insbesondere die Neudefinition der begrifflichen Grundlagen der Auftragszeit, stellte sich als sehr herausfordernd dar; es gab zudem Abstimmungsprobleme mit den Vertretern der Gewerkschaften. Eine abgestimmte Neubearbeitung konnte deshalb erst 1971 erscheinen, zusammen mit der neuen Methodenlehre des Arbeitsstudiums.
Band 5 „Der kalkulatorische Verfahrensvergleich“, der im Jahr 1955 erschien, war nicht nur als Schulungsunterlage konzipiert, sondern bot auch vertiefende Fachkenntnisse zur Kostenvergleichs- und Wirtschaftlichkeitsrechnung. Erstellt von Prof. Dr.-Ing. J. Witthoff, sollte der Band auch als Grundlage für weiterführende REFA-Fachlehrgänge dienen. Um ein spezielles Informationsmaterial zum Thema Kostenwesen bereitzustellen, erarbeitete Dr. W. Stroszek, der Autor der zweiten Auflage des Buches von 1969, die REFA-Schrift „Was muss der REFA-Mann von den Kosten wissen?“

Oberingenieur A. Ernst

Prof. Dr.-Ing. habil. J. Witthoff

Dr. W. Stroszek

Prof. Dr.-Ing. J. Paasche

Prof. Dr.-Ing. W. Rohmert
In den 1950er-Jahren fehlte noch immer Band 3 „Arbeitsbewertung“ in der REFA-Buchreihe. Trotz der Mitarbeit zahlreicher Fachleute wie Prof. Dr. H. Schmidtke, Dipl.-Ing. H. Spitzer, Dr. Hettinger und Prof. Dr.-Ing. W. Rohmert gelang es dem damaligen Leiter des Grundsatzausschusses, Prof. Dr.-Ing. Paasche, nicht, schnell einen fachlichen Konsens zu erzielen. Die Gründe hierfür lagen in den unterschiedlichen Tarifvereinbarungen und branchenspezifischen Verfahren, die in der Industrie vorhanden waren. Zusätzlich erschwerten unterschiedliche wissenschaftliche Ansätze, insbesondere zu den Themen Ermüdung und Erholung sowie zur Methodik der analytischen Arbeitsbewertung, die Konsensfindung. Dem Wunsch, zumindest eine allgemeine, leicht anwendbare methodische Grundlage für die Ausbildung bereitzustellen, kam REFA im Jahr 1955 mit der Schrift „Methodische Grundlagen der analytischen Arbeitsbewertung“ nach. Als Ergänzung hierzu erschienen 1957 die „28 Brückenbeispiele zur Arbeitsbewertung“. Nach weiterführenden Fachdiskussionen und zahlreichen Sitzungen konnte Band 3 schließlich im Jahr 1965 veröffentlicht werden.
Die fünf Bände des „REFA-Buches“, die als Lehrmaterial in der REFA-Ausbildung verwendet wurden, erlangten in den 1960er-Jahren hohe Auflagenzahlen. Sie wurden in Neuauflagen stetig überarbeitet, wobei größere konzeptionelle Änderungen ausblieben.